Der Bauboom dauert an. Angesichts von Negativzinsen scheint jede Investition in Betongold lohnend. Zwar warnen Überangebot und wachsende Leerstände, trotzdem wird fröhlich weiter gebaut und saniert, was das Zeug hält. Geschäftsmieter leiden teils massiv wegen den Bauarbeiten. Gibt es Mietzinsherabsetzung bei Bauimmissionen?
Sind Bauimmissionen Mängel?
Mangelhaft ist ein Mietobjekt, wenn ihm eine vertraglich zugesicherte oder aus dem Gebrauchszweck ergebende Eigenschaft fehlt. Es sind also der vertraglich vereinbarte und der tatsächliche Zustand zu vergleichen. Entscheidend ist, dass die Nutzung durch den Mangel beeinträchtigt ist. Der vereinbarte Verwendungszweck wird dabei berücksichtigt. So fallen Lärm und Erschütterungen bei einer Augenklinik stärker ins Gewicht als bei einem Lebensmittelgeschäft. Doch auch wenn „Büro“ oder „Ladenlokal“ als Nutzung vereinbart wurden: Bauimmissionen können Grundlage für eine Mietzinsreduktion sein.
Grundregel bei Herabsetzung wegen Baulärm
Der Grundsatz lautet: Mit der Herabsetzung des Mietzinses soll das vertragliche Gleichgewicht wieder hergestellt werden (BGer 4C.377/2004). Das Ungleichgewicht beginnt mit dem Entstehen des Mangels. Der Vermieter schuldet die Herabsetzung indes in der Regel erst wenn er Kenntnis hat, dass der Mieter den Zustand als mangelhaft erachtet. Den Gerichten steht breites Ermessen zu, denn die Herabsetzung ist keine rigorose Wiederherstellung der Parität (BGer 4A_647/2015). Auf das Verschulden des Vermieters kommt es nicht an. Lärm von benachbarten Baustellen ist auch in städtischen Verhältnissen und unabhängig von der Beeinflussbarkeit durch den Vermieter ein Mangel, der zu einer Mietzinsreduktion berechtigt (BGer 4C.377/2004). Nicht erforderlich ist ein Verstoss gegen nachbarrechtliche Bestimmungen (Mietgericht Zürich, 10.11.1999).
Beispiele für Herabsetzungen
- Lärm und Erschütterung von zwei Baustellen bei Augenarztpraxis: 37 %
(BGer 4C.377/2004, franz. Schweiz) - Schwerer Baulärm durch Abbruch und Neubau auf Nachbarparzelle bei Callcenter: 60 %
(BGer 4C.219/2005, franz. Schweiz) - Lange andauernde und intensive Baustelle auf Nachbargrundstück: 20-35 %
(Kreisgericht St. Gallen 21.10.2008) - Schaufenster durch Brettertunnel, Kran und Baumulde verstellt: 20 %
(Appellationsgericht Basel-Stadt 6.11.2001) - Baurbeiten im Geschoss unterhalb von Büroräumen: 30 %
(Court de Justice Genf, 30.8.201
Die Beweislast für die Beeinträchtigung liegt beim Mieter und lastet schwer, denn Störungen sind präzise und mit Protokollen und Fotos zu belegen. Wer Beeinträchtigungen bloss pauschal behauptet, hat selbst bei massiver Bautätigkeit wenig Chancen.
Umsatz als Gradmesser
Für die Bemessung der Mietzinsherabsetzung ist bei einer Geschäftsmiete neben Belegen wie Fotos und Lärmprotokollen der Umsatzrückgang ein mögliches Bemessungskriterium. Ein Umsatzrückgang von 20 %, berechtigte zu einer Mietzinsherabsetzung von 15 % (Mietgericht Zürich, 3.7.2003). Heikel ist, wenn andere Gründe für die Umsatzminderung im Raum stehen. So entschied das Appellationsgericht Basel-Stadt am 6.11.2001: «Die vom Mieter geltend gemachten Umsatzeinbussen bilden kein aussagekräftiges Kriterium für die Intensität der Beeinträchtigung, können sie doch auf ganz unterschiedliche Gründe zurückzuführen sein.»