Aktuell gibt es erst wenige Urteile, ob Geschäftsmieter für die Zeit der coronabedingten Betriebsschliessungen die volle Miete schulden. Wie das Bundesgericht entscheiden wird, ist offen. Eine Pandemieklausel im Mietvertrag ist dringlich.
Kein Mietzinsinkasso im summarischen Eiltempo
In einem Zürcher Entscheid ging es um ein provisorisches Rechtsöffnungsbegehren, mit dem der Vermieter den ausstehenden Mietzins im Lockdown forderte. Der Mieter hatte das Betreibungsverfahren durch Rechtsvorschlag zum Stillstand gebracht, worauf der Vermieter die provisorische Rechtsöffnung für die Mietzinse verlangte. Dieses Begehren des Vermieters wurde vom Gericht abgewiesen. Das bedeutet aktuell, dass Vermieter ausstehende Geschäftsmieten während der coronabedingten Betriebsschliessung und der Zeit der einschränkenden Massnahmen nicht im Eiltempo des Summarverfahrens durchsetzen können. Vielmehr müssen sie die Ausstände im ordentlichen Verfahren geltend machen.
Keine sofortige Ausweisung
Das Genfer Obergericht entschied, dass eine Ausweisung wegen Zahlungsverzug eine wirksame Kündigung voraussetze. Da die Frage der Mietzahlungspflicht während Lockdowns noch nicht letztinstanzlich entschieden sei, bestehe kein klares Recht. Daher kann auf ein Ausweisungsbegehren im summarischen Ausweisungsverfahren nicht eingetreten werden. Was bei einer Ausweisung im ordentlichen Verfahren gilt, ist Gegenstand eines laufenden Prozesses vor Zürcher Mietgericht.
Mieter müssen Schaden nachweisen
Ein erstinstanzliches Urteil des Mietgerichtes Zürich lehnte eine Mietzinsherabsetzung gestützt auf die Mängelrechte ab. Hingegen befand das Gericht, dass bei Lockdowns eine Vertragsanpassung, d.h. eine Mietzinssenkung, in Betracht kommt. Der Mieter müsse darlegen, wie sich der Lockdown auf den Geschäftsbetrieb ausgewirkt habe. Der Mieter verweigerte im beurteilten Fall die Einsicht in die Geschäftsbücher. Aus diesem Grunde lehnte das Gericht eine Mietzinsreduktion ab. Der Fall ist beim Obergericht Zürich hängig.
Was tun bei erneutem Lockdown oder Verschärfungen?
Bei behördlich verordneten Einschränkungen ist der Vermieter sofort schriftlich über die Beeinträchtigungen zu informieren. Zudem soll der Geschäftsmieter eine Mietzinsherabsetzung verlangen. Bei einem vollständigen Lockdown erachten wir in der Regel eine Reduktion der Nettomiete von 80 % als gerechtfertigt. Wer Nervenstärke hat, zahlt nur noch 20 % der Nettomiete und das Nebenkostenakonto oder hält die Miete vollumfänglich zurück. Gleichzeitig ist das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen. Wenn der Vermieter die Kündigung wegen Zahlungsverzug androht, ist der volle Mietzins zu überweisen. Dabei ist dem Vermieter mitzuteilen, dass die Zahlung ohne Schuldanerkennung und unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolge.
Wer eine mildere Vorgehensweise vorzieht, zahlt weiterhin den ganzen Mietzins unter Vorbehalt der Rückforderung. Führen die Verhandlungen mit dem Vermieter nicht zum gewünschten Ergebnis, so kann der Geschäftsmieter die zu viel bezahlte Miete gerichtlich zurückfordern. Dadurch ist das Risiko einer Zahlungsverzugskündigung beseitigt. Bei der Rückforderungsklage ist der Mieter aber in der Klägerrolle und er muss Vorschuss für die Prozesskosten leisten. Das Schlichtungsverfahren ist noch kostenfrei. Der Rückerstattungsanspruch verjährt gemäss Bundesgericht nach fünf Jahren. Entsprechend kann auch zugewartet werden mit einer Klage, bis ein höchstgerichtlicher Entscheid vorliegt.
Pandemieklausel
Beim Abschluss von Neuverträgen soll der Geschäftsmieter vorsorglich eine „Pandemieklausel“ verlangen. Grossmieter mit Marktmacht bestehen bereits auf einer solchen Klausel. Zu vereinbaren ist, was bei Lockdowns und sonstigen Einschränken infolge Pandemie gilt. Als fair erachten wir eine Regelung, welche eine Mietzinsherabsetzung proportional zum Umsatzrückgang vorsieht:
«Die Parteien erkennen hiermit an, dass das Wesen dieses Mietvertrages darin besteht, dass die Vermieterin ein Mietobjekt zur Verfügung stellt, in dem die Mieterin ihr Geschäft effektiv betreiben kann und im Gegenzug die Miete für die Nutzung des Mietobjektes zahlt. Die Parteien erkennen an, dass ausserordentliche Umstände wie zum Beispiel Epidemie, Pandemie, Seuche, Naturkatastrophe, Krieg, Klimawandel, die Grundlage dieses Vertrages verändern und zu folgenden Ereignissen führen können:
- Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Anweisungen, Schutzkonzepte und ähnliches zwingen die Mieterin zur vollständigen, teilweisen, dauernden oder vorübergehenden Schliessung oder stark eingeschränkter Nutzung des Mietobjektes; oder
- Umsatzverlust in einem Monat von über 10 % im Vergleich zum Monat vor Eintritt der ausserordentlichen Umstände, oder von über 10 % im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Wenn ein unter vorstehend a) oder b) beschriebenes Ereignis eintritt, wird der Nettomietzins monatlich proportional zum Umsatzrückgang reduziert für die Dauer der ausserordentlichen Umstände.»
Eidgenössische Volksinitiative «Für eine geregelte Entschädigung im Epidemiefall (Entschädigungsinitiative)»
Die Schweizer Politik und Gesetzgebung ist auf eine so lange anhaltende Notsituation nicht vorbereitet. Die Behörden haben mit dem Epidemiegesetz zwar eine Grundlage zum Schutz der Volksgesundheit. Einen Anspruch auf Entschädigung gibt es für die betroffenen Betriebe jedoch nicht. Und der Ausgang der gerichtlichen Verfahren ist offen. Daher unterstützt der Verband der Geschäftsmieter die Initiative von Gastrosuisse und weiteren Verbänden, Ansprüche der Betroffenen auf Kurzarbeit und Erwerbsersatz gesetzlich festzulegen. Mit der Unterschriftensammlung soll bald begonnen werden.
Wir wünschen einen erfolgreichen Abschluss 2021, Gesundheit und schöne Festtage.
Auch 2022 sind wir jederzeit gerne für Sie da.