Erstes Urteil in der Schweiz wegen Corona-Geschäftsmiete: Wer während Corona die Geschäftsmiete nicht zahlt, kann sich erfolgreich gegen die Betreibung zur Wehr setzen.
Mutiger Gastronom
Ein Zürcher Gastronom verlangte konkret eine Mietzinsherabsetzung während des ersten Lockdown von 90%. Für die Zeit danach forderte er 60% weniger Zins, weil er die Räume nur unter starken Einschränkungen nutzen konnte. Er reduzierte die Mietzinszahlung, worauf er von der Grossvermieterin PSP für rund 80'000 Franken betrieben wurde. Der Gastronom liess sich nicht einschüchtern, erhob Rechtsvorschlag und zog einen Mietrechtsanwalt bei. Das Zürcher Bezirksgericht gab dem Gastronomen Recht und stoppte die Vermieterin.
Historische Krisen – erster Weltkrieg und Corona-Pandemie
Das Bezirksgericht Zürich entschied, der Mietvertrag könne im Falle historischer Krise nicht dazu dienen, auf volle Mietzahlung zu betreiben. In der Begründung verwies es auf die Bundesgerichtspraxis. Denn das Bundesgericht gewährte 1922 einem Restaurantpächter auf den Schiffen des Vierwaldstädtersees eine Reduktion des Pachtzinses. Dies wegen der stark zurückgegangenen Passagierzahlen als Folge des Ersten Weltkrieges.
Vertragsanpassung wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern
Ein anerkannter Rechtsgrundsatz besagt, dass bei wesentlich veränderten Verhältnissen jede Seite eine Anpassung des Vertrages verlangen kann. Auch dieser Rechtsgrundsatz wurde vom Bezirksgericht für die Begründung herangezogen. Wenn Umstände eintreten, mit denen keine der Vertragspartner rechnen konnte und die für eine Partei die Vertragserfüllung unzumutbar machen, kann der Richter den Vertrag anpassen. So hat das Bundesgericht in mehreren Urteilen aus der Zeit der Weltkriege und Weltwirtschaftskrise entschieden. Die Anknüpfung an diese Rechtsprechung in Zeiten von Corona ist daher folgerichtig und juristisch begründet.
Signalwirkung an die unnachgiebigen Vermieter
Das Urteil ist ein Rückschlag für unnachgiebige Vermieter wie SwissLife und PSP. Der Weg der Betreibung mit anschliessender Rechtsöffnung ist damit vom Tisch. Geschäftsmieter haben mit diesem Urteil ein zusätzliches starkes Argument, um Herabsetzungsansprüche zu erheben. Ausserdem hilft das Urteil, die Forderung der Vermieter auf Weitergabe der Härtefallgelder abzuwehren.
Berufung ans Obergericht
PSP erhob bereits Berufung an das Obergericht. Wir beurteilen die Erfolgschancen der Berufung von PSP als gering. Denn der Rechtsöffnungsrichter prüft im summarischen Verfahren lediglich, ob die Einwände des Mieters glaubhaft sind. Da die Zwangsschliessung und der Umsatzausfall im Lockdown faktisch feststehen, galt es bloss zu beurteilen, ob der Herabsetzungsanspruch des Mieters als plausibel erscheint. Das Obergericht wird an dieser prima facie Beurteilung kaum etwas ändern.
Drohung mit Kündigung
Es verbleibt die Drohung der Zahlungsverzugskündigung durch die Vermieter. Doch auch in diesem Punkt sind wir zuversichtlich. Denn der Weg der Zahlungsverzugskündigung und der Ausweisung ist steinig für den Vermieter. Erscheinen die Rechtslage oder die Fakten unklar im Ausweisungsverfahren, so wird der Richter auf das Ausweisungsbegehren nicht eintreten. Und damit fällt auch dieses Drohmittel der Vermieter dahin.
Was noch offen bleibt
Materiell ist der Herabsetzungsanspruch mit diesem Entscheid noch nicht bestätigt. Ebenso wenig ist mit diesem Entscheid klargestellt, wie hoch die Herabsetzung bei Prüfung des Einzelfalles letztendlich sein wird. Am Schluss muss das Bundesgericht ein Grundsatzurteil fällen. Das ist eine Folge der Ablehnung des Covid-19-Geschäftsmietergesetzes im vergangenen Jahr durch das Parlament. Die bürgerlichen Parteien versenkten das 60:40 Modell, das eine Lösung vorsah.
Fazit:
- Die Problematik der Geschäftsmieten während Corona ist nach wie vor enorm. Unzählige Geschäftsmieter haben keine Mietzinsreduktion erhalten.
- Geschäftsmieter sollen nach dem Urteil des Zürcher Bezirksgerichts Mut fassen, bei den Vermietern standhaft eine Mietzinsreduktion einzufordern.
- Ein stures Verhalten von Vermietern führt zu unnötigen Betriebsschliessungen und schadet somit unserer Volkswirtschaft.
- Die Härtefallentschädigungen sind nicht ausreichend und nur für Fixkosten vorgesehen, die mit Sicherheit geschuldet sind. Die Geschäftsmiete gehört nicht dazu. Daher ist es umso problematischer, dass eine Vielzahl von Vermietern nach wie vor einvernehmliche Lösungen verweigern und so Staatsgelder von den betroffenen Betrieben direkt an die Vermieter weiter fliessen.